Entscheidung Wirtschaftsausschuss


Liebe Semesterticket-Interessierte,

dem gewachsenen öffentlichen Interesse, und vermutlich auch den mittlerweile mehr als 17.000 Unterschriften auf www.ausbildungsticket.de, ist vermutlich geschuldet, dass sich in Sachen Semesterticket wieder etwas bewegt. Ein erster Teilerfolg! Noch jedoch ist es zu früh die Sektkorken knallen zu lassen… ein ausführlicher Einblick in die aktuelle Lage in dieser Email.

In der SZ von heute wird das Ergebnis der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft bekannt gegeben. Diese fand gestern Vormittag im Rathaus statt, wir haben den Stadträten Infomaterial auf den Weg gegeben, welches auch auf unseren Seiten wie www.fs.tum.de/semeti zu finden ist.

Die SZ schreibt im Lokalteil München am 22.10.2008:

„Stadt für günstige MVV-Studenten-Tickets

Die Stadt will sich in der Gesellschafterversammlung des MVV für preisgünstige Studentenfahrscheine stark machen. Der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats sprach sich am Dienstag einstimmig sowohl für die Einführung sowohl eines Ausbildungs-Abos nach dem Muster der Isar-Card als auch eines Semestertickets aus. Allerdings dürften auf die Stadt keine zusätzlichen Kosten zukommen. …

Die abschließende Entscheidung fällt allerdings in der MVV-Gesellschafterversammlung. … Die Versammlung hatte sich bei einer früheren Abstimmung [Anm. Anfang Juli 2008] einstimmig gegen ein Semesterticket ausgesprochen.“

Uns aufmerksamen Lesern fallen zwei Dinge auf: Die Stadt ist dafür, über diese Entscheidung freuen wir uns. Jedoch ist damit noch nichts gewonnen, die SPD hatte in den letzten beiden Kommunalwahlen ein Semesterticket im Programm stehen.

Der größte Haken an dieser Entscheidung ist, dass zwar günstigere Tickets angeboten werden sollen, die Stadt jedoch dafür keine Kosten übernehmen möchte. Nach dem Modell „10 Monate zahlen, 12 Monate fahren“, wie beim IsarCard-Abo, muss irgendjemand für die Kosten der 2 Monate aufkommen. Es bleibt spannend, wie das realisiert werden soll.

Für das Semesterticket sieht es in diesem Zusammenhang besser aus: Die Einführung eines Semestertickets auf der Basis von Solidarbeiträgen aller Studierenden wurde bereits kostenneutral durchgerechnet (abzüglich der Einsparungen im Vertrieb). Es tauchen in einigen Presseartikeln wieder die altbekannten beiden Modelle auf.

  • Einkomponentenmodell: Alle Studierenden müssten 189 Euro im Semester verpflichtend zahlen, könnten dafür das Gesamtnetz nutzen.
  • Zweikomponenten- bzw. Sockelmodell: Alle Studierenden würden bis zu 45 Euro im Semester verpflichtend zahlen, könnten dafür unter der Woche ab 17 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen ganztags das Gesamtnetz nutzen. Erst dadurch wird ein freiwilliger Aufpreis auf ein ganztags und 6 Monate gültiges Semesterticket von ca. 170 Euro ermöglicht.

Die Kalkulationen des MVV beinhalten unterschiedliche Sockelbeträge (zwischen 28 und 45 Euro pro Semester) und daraus resultierenden unterschiedlichen Aufpreisen. Es kann sein, dass sich die Zahlen mittlerweile leicht geändert haben, sie sind vom 17.7.

Nun ist es so, dass die Studierenden in Urabstimmungen über die jeweiligen Angebote entscheiden sollen – dafür brauchen wir erst mal ein Angebot, dieses blieb bisher aus. Wenn ein reines Abo ohne verpflichtende Zahlungen möglich ist, wenn es denn die Stadt oder der Freistaat finanzieren, wäre schon einiges gewonnen. Die deutlichsten Reduzierungen für Langstreckenfahrer ergeben sich freilich in einem Semesterticket. Jedes bundesweit praktizierte Semesterticket basiert auf Solidarzahlungen, das müssen wir uns offen eingestehen – ein Schritt, zu dem sich die Studierenden als Gemeinschaft entscheiden oder dagegen aussprechen. In der aktuellen Unterschriftenaktion auf ausbildungsticket.de stimmten 38,6% für die Abonnierbarkeit und 96,6% für ein Semesterticket. 62,7% sprachen sich für höhere Zuschüsse aus (Stand vom 20.10. an der TUM, 5237 Teilnehmer). Selbstverständlich sind am Ende die Zahlen einer Urabstimmung bekannt, wenn über konkrete Preise abgestimmt wird und sich jede(r) ausrechnen kann, ob das Angebot attraktiv ist, oder nicht.

Mit Verwunderung müssen wir jedoch zur Kenntnis nehmen, was sich statt dessen zwischen Stadt und Freistaat gerade abspielt. SPD-Fraktionschef Reissl legte am 16.10. seinen Finger in die Wunde mit dem bösen „S…“-Wort, der Freistaat würde sich ja schon bei den Studiengebühren bedienen. Wissenschaftsminister Goppel sprach sich am 17.10. für ein Semesterticket aus und warf der Stadt vor, sie solle ihre Blockadehaltung endlich
aufgeben. MVG-Chef König darauf hin heute, am 22.10. in einer Pressemitteilung, der Freistaat habe die Zuschüsse gekürzt, die Studierenden wollen billiger fahren, aber das geht nur, wenn der Freistaat Zuschüsse erhöht. „Wenn das nicht passiert, sind neue Schleifen in diversen Gremien sinnlos.“

Die Wahrheit liegt dazwischen: Der Freistaat hat die Zuschüsse gekürzt, ganz klar. Wenn der aktuelle Streit eines bringt, dann evtl. doch, dass dieser Schritt überdacht wird. Egal ob Abo-Modell oder Semesterticket, wenn durch eine Erhöhung der Zuschüsse eine Verbilligung dieser Modelle möglich ist, ist das sicher jedem von uns willkommen – egal, ob es die Stadt, das Land, oder beide finanzieren. Warum trotzdem 30%-ige Rabatte im IsarCard-JobTicket
(auf Kosten der Verkehrsbetriebe) und die bisher kostenneutral gerechneten Semesterticket-Modelle nicht machbar sind, bleibt der MVG-Chef vollends schuldig.

Wir wissen auch, warum: Den Verkehrsbetrieben ist das Einkomponentenmodell am liebsten. Jeder zahlt, Punkt. Das Studentenwerk muss das Geld dafür eintreiben. Mit Klagen ist zu rechnen, und ob wir 189 Euro verpflichtend für alle haben wollen, wage ich persönlich stark zu bezweifeln (meine Meinung zählt hier nicht, sondern das Votum der Studentischen Basis!) Dann gäbe es noch das Sockelmodell. Nach Aussage des MVV die einzig aktuell machbare Lösung mit einem Solidaranteil. Nachdem der freiwillige Aufpreis für ein Gesamtnetzticket für 215 Euro jedoch ein unternehmerisches Risiko ist (wird er tatsächlich gekauft?), ist die Stadt und damit auch die MVG davon kein Fan – deswegen wird darüber aktuell öffentlich geschwiegen, und die volle Schuld auf den Freistaat geschoben. Der MVV selbst würde dieses Modell umsetzen, scheiterte jedoch in der eigenen Gesellschafterversammlung – und in der Preiskalkulation ist eigentlich genug Puffer, um diesen Schritt zu wagen, den Tarif im Sockelmodell dann über Jahre einzupendeln.

Die nächste Gesellschafterversammlung des MVV ist am 28.11. Derweil setzen wir uns mit etwas Popcorn zurück, schauen dem Zähler auf ausbildungsticket.de zu und verfolgen die Presse. Sofern wir mit den Beteiligten in Kürze über MACHBARE Lösungen sprechen können und dürfen, sind wir dazu gerne bereit. Die Hochschulen und das Studentenwerk werden sich diesbezüglich bald treffen.

Danke für Eure Aufmerksamkeit – ich hoffe, Ihr habt nun einen tiefen Einblick in die aktuelle Lage. Vor allem DANKE für die phänomenale Beteiligung auf ausbildungsticket.de Dieses Signal an die Politik, dass wir ein Angebot möchten und uns nach dem einseitigen Verhandlungsabbruch im Juli 2008 nicht alles bieten lassen, war immens wichtig. Totgesagte leben länger!

Euer AK Semesterticket